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Baumaterialien der nächsten Generation

Die Rohstoffe für gängige Baumaterialien wie Stahl und Beton werden knapp. Ein innovativer Geist forscht an der ETH Zürich nach Alternativen und bringt Bambus, Pilze, Lehm und Müll auf den Plan.

Dirk E. Hebel ist Assistenzprofessor für Architektur und Konstruktion an der ETH Zürich und am Future Cities Laboratory in Singapur. Er beschäftigt sich mit der Stadt der Zukunft. Der Forscher überraschte in den vergangenen Jahren mehrmals durch Arbeiten mit ungewöhnlichen Materialien wie Plastikflaschen, Müll oder Bambus.

 
Projekte mit ungewöhnlichen Baustoffen: Am Ideas City Festival in New York 2015 präsentierte sich die ETH Zürich mit einer 90 Quadratmeter grosse Konstruktion bestehend aus Transportpaletten und einem Dach aus rezyklierten Getränkekartons.

Im 21. Jahrhundert gilt es die zwei grossen Fragen nach der Energie und nach den Ressourcen zu beantworten. In den letzten 150 Jahren wurden Materialien aus der Erdkruste entnommen, verbraucht und schliesslich weggeworfen. Heute zeigt sich, dass die Ressourcen in dieser kurzen Zeit stark dezimiert wurden. Sand, der wichtigste Bestandteil von Beton, wird zunehmend knapp. Marokko hat in den letzten Jahren 50 Prozent seiner Strände verloren. Es ist unumgänglich, neue Ansätze zu entwickeln und neue Materialien für künftiges Bauen zu finden. Müll wird beispielsweise kein Wegwerfprodukt mehr sein, sondern eine wertvolle Ressource. So schliesst sich der Kreis der Wertschöpfungskette.

Ein anderer Ansatzpunkt der Forschung sind nachwachsende Materialien. Das sind Baustoffe, die kultiviert werden können wie zum Beispiel Bakterien als Zementersatz, Pilzstrukturen oder Bambus. Besonders Pilzstrukturen lassen das Herz des Forschers höherschlagen. Das Myzelium, das Wurzelgeflecht eines Pilzes, kann sehr gut Druckkräfte aufnehmen. Die Pilzsporen lassen sich leicht transportieren. Diese werden dann irgendwo auf der Welt mit einem organischen Substrat sowie etwas Wasser vermischt und einfach in die Sonne gestellt. In wenigen Tagen gedeiht so das Baumaterial. Nach dem Gebrauch kann es problemlos kompostiert werden.

Bambusfasern könnten für Stahlarmierungen tauglich gemacht werden. Auf diese Idee kam Dirk E. Hebel in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, wo Baumaterial schwer aufzutreiben ist, da alles eingeführt werden muss. Der grosse Bambusbestand in Äthiopien brachte den Forscher auf die heisse Fährte. Ein weiteres Projekt in Äthiopien war ein städtisches Wohnhaus aus Lehm. Damit konnte den Entscheidungsträgern der Stadt Addis Abeba aufgezeigt werden, dass es möglich ist, ein zweigeschossiges Haus aus Lehm nach modernen Standards zu bauen. Mittlerweile sind mehrere solcher Wohneinheiten für verschiedene Regionen des Landes entwickelt worden, welche nun von Regierungen gefördert werden sollen. Die Beispiele beweisen, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft effektiv in die Baupraxis überführt werden können. 

Dirk E. Hebel will den Studierenden vermitteln, dass es immer Alternativen gibt und dass es innovative Köpfe braucht, um die passende Lösung für die jeweilige Situation zu finden.


Bambuskomposit hat ein ähnliches zugverhalten wie Stahl


Baustein aus Pilzstrukturen (Bilder: Christoph Kaminski)

Quellen/PDF

Teaserbild: www.zeit.de

Quellen:
www.ethz.ch
www.coopzeitung.ch Nr. 21