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Lernlandschaften statt Klassenzimmer

Aufgrund des Wettbewerbs laufen die Architekten bei Schulhausbauten zur Kür auf. Zudem wird eine energetische und ökologische Ausführung ohne Kostenüberschreitung gestellt. Der Bau wird jedoch nicht immer den kindergerechten und pädagogischen Anliegen gerecht.

Die vielen unterschiedlichen Wünsche für Schulhausbauten sind oft für Architekten kaum zu bewältigen. Denn die Gemeinde wünscht sich ein repräsentatives Schmuckstück mittels des Wettbewerbs, die kantonale Schulbehörde will neue pädagogische Konzepte verwirklicht sehen und die Pädagogik befürwortet individuelle Arbeit sowie Gruppenarbeit anstatt Frontalunterricht. So entstehen schlussendlich nicht immer Bauten, die den Bedürfnissen der Kinder in den unterschiedlichen Altersgruppen gerecht werden.

Minergie

Einige Schulgebäude sind aus Wettbewerben hervorgegangen und wurden teils ausserdem von Architekturkritikern in Zeitschriften prämiert und hoch gelobt. Kontrastreiche, unterschiedliche Bauten und Konzepte zeigen, dass Schulen nicht als Einheitsbrei angerichtet werden. Alle bestreben aber nach Bauten mit ökologisch und energetisch guten Ausführungen, also Minergie als kantonale Vorschrift. Das vorgeschriebene Lüftungskonzept bringt jedoch Probleme, da viele sich mit dem Lüftungsregime von Minergie beschweren. Obwohl renommierte Ingenieurbüros beigezogen werden, dauert es lange bis eine befriedigende Lösung für den meist verwinkelten Gebäudekomplex gefunden werden kann. Denn Luftströme sind nämlich dynamisch kaum berechenbare Systeme.

Ruhestiftende Holzkonstruktion

Im Vergleich zu den Beton-Kolossalbauten der 1960/70er Jahre sind die Architekten in der Raumorganisation, der Gestaltung und oft auch in der Materialwahl einen beachtlichen Schritt weitergekommen. Einzelne Bauten bestehen nun meist aus vorfabrizierten Holzelement. Dies macht einerseits ökologisch Sinn und sorgt anderseits im Innern für eine gute, akustische Dämmung sowie wirkt selbst auf sehr lebendige Kinder entspannend. Bei der strukturellen Gestaltung der Holzfassaden nehmen Architekten oft auf traditionelle Muster Bezug, was heute dank CNC-Steuerungen in Zimmereien recht kostengünstig ausführbar ist.

Veränderbare Klassenzimmer

Die Umgebung eines Schulgebäudes soll als naturnaher Lebens- und Entdeckungsraum eingerichtet werden. Jedoch findet man dies kaum. Nebst dem Platzmangel dürfte der betriebliche Aufwand, der dafür zu leisten wäre, der Grund sein. Ausschlaggebend ist aber die Pädagogik bei allen Schulhäusern für den zusätzlichen Gruppenraum sowie für eine Lernnische ausserhalb des eigentlichen Klassenzimmers. Selbst in den neuen Schulhäusern sind die Klassenzimmer nur begrenzt auf die Bedürfnisse von Kindern und Lehrpersonen abgestimmt.  Alle Erfordernisse für die stark ändernden Lernschritte und Lernziele der Primarschüler (1. bis 6. Klasse) sind in den meist genormten rechteckigen Zimmern zu erfüllen. Dabei gestalten die Lehrpersonen fantasievoll ihre Klassenzimmer, die mit verschiebbaren Möbeln und Einrichtungen zu wechselbaren Lernlandschaften umgewandelt werden. Eine modulare, flexible Bauweise innerhalb der Primärstruktur eines Schulgebäudes würde wohl bei einer Abstimmung oder von der Behörde als zu unberechenbar eingestuft. Dazu benötigt es in der Schweiz ebenso Pionierprojekte, wie dies in Deutschland die Evangelische Gesamtschule Bismarck Gelsenkirchen seit 1998 vorzeigt. In der Gesamtschule gibt es anstelle eines Schulgebäudes verschiedene kleinere Bauten, die ein praxisbezogenes, mehrheitlich handwerkliches, nach Alters- und Entwicklungsstufe ausgerichtetes Lernen ermöglichen. Somit ist die Schule eine stets veränderbare Werkstatt und zu dessen Gunsten wird auf ein ästhetisch durchkonzipiertes Gebäude bewusst verzichtet.

Quellen/PDF

Baubio vom März 2017

Teaserbildquelle: www.schnetzerpuskas.com / Roland Bernath

Bildquelle: www.lernraeume-aktuell.de / Cornelia Suhan