Wissen

Landwirtschaft in der Stadt - "urban farming"

Ein Phänomen greift weltweit um sich, denn urban farming oder auch urban gardening, Balkongarten erobert immer mehr Hinterhöfe und Brachflächen, auch in der Schweiz. Grüne Oasen auf Dächern, Hinterhöfen und ungenutzten Flächen - ein Erlebnisraum für gross und klein.

Urban Farming box

Öffentliches Grün in Städten ist das Eine. Das Andere und in diesem Falle das Besondere sind Flächen, auf denen man nicht unbedingt gärtnerische Aktivität vermuten kann. Wenn aber auf Flachdächern und in Hinterhöfen, auf Abbruchflächen und auf Industriebrachen plötzlich eifrige Menschen zugange sind, um dort Blumen, aber auch Gemüse anzubauen, dann spricht man von „urban farming“ oder „urban gardening“- am einfachsten mit „städtischem Gärtnern“ oder Balkongarten zu übersetzen. Der aus dem angelsächsischen Raum kommende Trend lässt in städtischen Gebieten grüne Oasen entstehen.

Verbesserung der Sozial- und Quartiersstruktur durch Hobbyfarmer:
In Kübeln, Palettenboxen, Tontöpfen, alten Gefässen, Kisten, auf Hochbeeten und in alten Badewannen wachsen unter anderem Küchenkräuter, Salat, Bohnen, Tomaten, Peperoni, Kürbisse. Kohl und Kohlrabi. Selbst Bienenstöcke auf den Dächern der Hochhäuser und Hühner im Hinterhof sind schon gesichtet worden.

Die Hobbygärtner der Städte verfolgen besonders zwei Ziele:

  • Die Nutzung von unbegrünten Flächen zur Nahrungsmittelproduktion, die Verschönerung des Wohnumfeldes. Die Wenigsten haben hierbei eine völlige Selbstversorgung im Blick, denn es geht darum sich daran zu erfreuen, wie etwas blüht, wächst und bis zur Erntereife gedeiht. Der Ergeiz, etwas mit eigenen Händen zu pflegen, zu gestalten und dabei gleichzeitig den Ausgleich zum Beruf oder zum Büro zu finden ist Antrieb und Befriedigung zugleich.
  • Vielleicht ist der zweite Punkt noch viel wichtiger. Statt im Herbst als Lohn für die Mühe über das Jahr hinweg, etwas Gemüse oder eine Kiste Kartoffeln zu ernten, hat sich ein weitaus nützlicherer Nebeneffekt herausgestellt. Durch die gemeinsame Tätigkeit finden sich Menschen verschiedenster Altersgruppen und Bevölkerungsschichten zusammen, lernen sich kennen, unternehmen etwas gemeinsam und verbessern so die Sozialstruktur im Quartier.

Nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Stadt
Mit wissenschaftlichen Methoden verfolgt die Zurich International School (ZIS) ein ähnliches Ziel. Das auf den Wissenschaftler Andreas Graber zurückgehende Projekt der „Urban Farmers Box“ erforscht, wie im urbanen Bereich ökologisch und auf nachhaltige Weise eine Lebensmittelproduktion in der Stadt erfolgen kann. Dabei setzen sie auf die sogenannte Aquaponic-Technologie. Der Begriff setzt sich aus den Worten „aquacultre“ (Fischzucht in Wasserbecken) und „hydroponic“ (Züchtung von Pflanzen im Wasser) zusammen. Die Nutzung der symbiotischen Beziehung zwischen Fischen und Pflanzen ermöglicht es, ohne Düngung auf kleiner Fläche hohe Erträge zu erwirtschaften.

Das System besteht aus einer Box, in der sich ein Aufzuchtbecken für Fische befindet. Darüber ein Treibhaus, in den die Pflanzen herangezogen werden. Die Fische werden mit rein pflanzlichen Futterpellets gefüttert, die im Wesentlichen aus Kartoffelprotein, Rapsöl und Maisbestandteilen hergestellt werden. Die Pflanzen beziehen ihre Energie aus dem nährstoffreichen Fischgewässer und reinigen es dadurch wieder. So wird bis zu 60-90 Prozent weniger Wasser verbraucht als bei herkömmlichen Erdkulturen.

In Basel ist auf dem Dach eines ehemaligen Lokdepots eine Dachfarm aufgebaut, die auf über 250 m2 jährlich 5 Tonnen Gemüse und rund 850 kg Fisch produziert. So wird nicht nur mit immer knapper werdenden Flächen sorgsam umgegangen, sondern dabei auch noch hochwertige Lebensmittel produziert. 10 bis 20 Prozent der Stadtbevölkerung können so ernährt werden.

In Bad Ragaz entstand die grösste Dachfarm der Schweiz. Nicht Probehalber wie in Basel, sondern mit dem Ziel Gemüse und Kräuter anzubauen und zu vermarkten. In der Etage darunter sorgt eine Aquakultur für die CO2-reiche Abluft und nährstoffreiches Wasser für die Gewächshäuser.

Eine bahnbrechende Idee, nicht auf privater Basis oder unternehmerischem Ehrgeiz gewachsen, ist die "Essbare Stadt". Ein Konzept, das bald Schule machen könnte. Positive Erfahrungen hat die Stadt Andernach damit seit 2010 sammeln können. 

Weitere Infos unter: stadiongarten.ch und urbanfarmers.ch oder Merkblatt der Stadt St. Gallen zum Download

urban farming auf hochhausdächern
Quellen/PDF

Quellen: www.coopzeitung.ch/urban, www.urbanfamers.ch, www.stadiongarten.ch

Bildquelle: nourishtheplanet.com