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Neuste Forschungsergebnisse Solarstrom/Fotovoltaik

WELTREKORD-WERTE am Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen, (ZhS) Freiburg, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Ise) Stand: Januar 2023

Fotovoltaikanlage
 
Kirschtorte als Vorbild: Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen nimmt seine Arbeit auf.
Ziel: Massentaugliche Nachfolger für das Silizium finden.
20. Januar 2023
 

(SR) Die Räume des „Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen“ in Freiburg im Breisgau gelten als die saubersten, die es in der Solartechnik gibt – weltweit. Natürlich habe die Chipindustrie noch weitaus bessere Reinräume, räumt Solarforscher Stefan Glunz ein, während er durch die Gänge führt. Aber in der Photovoltaik ist eine derartige Reinheit der Raumluft einmalig.

„Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen“ (ZhS) nennt sich der 34 Millionen Euro teure Neubau in Freiburg, den das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Ise) im Jahr 2021 in Fussentfernung vom Hauptgebäude einweihte. Die komplexe Gebäudetechnik hatte zunächst noch einiges an Feinabstimmung nötig, inzwischen ist Leben in die Labore gekommen; 70 Forscher und Techniker entwickeln dort auf 1000 Quadratmetern neue Generationen von Solarzellen.

Vor einem epochalen Wandel
Freiburg sei damit ein wichtiger Treiber der „weltweiten Solarrevolution“, hatte zur Einweihung Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verlauten lassen. Auch wenn „Solarrevolution“ ein bisschen vollmundig klingt, so steht die Photovoltaik zweifellos vor einem epochalen Wandel – denn es müssen neue Zelltypen her, will man sich nicht schon bald mit stagnierenden Wirkungsgraden zufrieden geben. „In den kommenden fünf Jahren wird man mit der klassischen Siliziumzelle an der Grenze des Machbaren angelangt sein“, sagt Wissenschaftler Glunz während des Rundgangs.


Vorbei geht es an gelb beleuchteten Räumen. In ihnen werden photosensitive Lacke verarbeitet, die für Strukturierungen der Zellen genutzt werden, etwa bei der Herstellung von sehr dünnen Kontaktfingern. Weisses Licht im Raum wäre für diesen Prozess schädlich – das Gelblicht ist hier das, was früher das Rotlicht in der Dunkelkammer der Fotografen war.

In einem anderen Labor sieht man – ebenfalls nur durch eine Scheibe – einen Mitarbeiter vor einem Beschichtungsofen mit fragilen Wafern hantieren. Im Boden sind die Löcher erkennbar, über die die Raumluft abgesaugt wird, die von oben zuströmt. Über dem Labor wurde eine eigene Geschossebene geschaffen, in der die komplexe Haustechnik mitsamt der Luftreinigung untergebracht ist.

Grösstes europäisches Solarforschungsinstitut
So bringt sich das grösste europäische Solarforschungsinstitut in Stellung für die nächste Ära der Photovoltaik. Es ist schlicht die Physik, die das notwendig macht. Die Schallmauer der klassischen Siliziumzelle liegt bei einem Wirkungsgrad von 29.4 Prozent. Dieses Shockley-Queisser-Limit, benannt nach den beiden Physikern William B. Shockley und Hans-Joachim Queisser, ist eine unüberwindbare Effizienzgrenze.

In den letzten Jahrzehnten hatte sich die Solarforschung in grossen Teilen darauf konzentriert, mit dem kristallinen Silizium diesem theoretischen Maximum auch in der Massenfertigung immer noch ein Stückchen näher zu kommen. In Schritten von oft nur Zehntel Prozentpunkten hangelte man sich nach oben. Der Fortschritt war erstaunlich stetig, fast berechenbar: Um etwa 0.6 Prozentpunkte jährlich sei die Ausbeute der industriell gefertigten Zellen in der Vergangenheit gesteigert worden, sagt Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer Ise. Doch in den nunmehr erreichten Sphären wird die Luft dünn – mit 26.7 Prozent im Labor ist man dem Limit schon recht nahe. Selbst in der industriellen Praxis werde man bald auf Effizienzen zwischen 25.5 und 26 Prozent kommen, sagt Bett. Bei solchen Werten wird das Bestreben um weitere Gewinne auf Siliziumbasis müssig.

Schichtenprinzip ausreizen
Also sollen neue Zelltypen die Beschränkung überwinden. Der grundsätzliche Weg ist längst klar, denn die physikalische Effizienzgrenze resultiert daraus, dass eine einfache Solarzelle nur das Licht in einem bestimmten Wellenlängenbereich – also einen selektiven Farbanteil – optimal nutzen kann. Fertigt man hingegen Mehrfachsolarzellen, bei denen jede Schicht einen anderen Teil des Sonnenlichts in einen nutzbaren Elektronenfluss ummünzt, kann man die Stromausbeute noch deutlich erhöhen. In der oberen Schicht erzeugt dann das kurzwelligste Licht freie Elektronen, in den darunter liegenden Schichten wird jeweils ein anderer, langwelligerer Strahlungsanteil verwertet. Man kann dieses Schichtenprinzip sehr weit ausreizen.

Für die Kirschtorte gilt das sicher
Ise-Forscher Glunz ist ein Freund anschaulicher Vergleiche. In Präsentationen zeigt er deshalb gerne augenzwinkernd ein Bild, das belegt, wie reizvoll ein vielschichtiger Aufbau sein kann. Auf dem ersten Foto sieht man einen eher drögen, weil homogenen Biskuitboden, im nächsten Bild hingegen eine kunstvoll geschichtete Schwarzwälder Kirschtorte. „Upgrading zu einer neuen Zellgeneration“, steht darüber. Und: „Das Rezept ist in Freiburg bestens bekannt.“

Für die Kirschtorte gilt das sicher. Am optimalen Rezept für die neuen Solarzellen wird am ZhS unterdessen noch gefeilt. Grob betrachtet geht es derzeit um zwei besonders erfolgversprechende Varianten der zusätzlichen Halbleiterschichten. Zum einen können das die sogenannten III/V-Halbleiter sein. Das sind Verbindungen aus der 3. und 5. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente, etwa Gallium, Indium, Arsen und Phosphor. Sie werden auf einen klassischen Siliziumwafer aufgetragen.

Nur wenige hundert Nanometer dick
Die andere Variante bilden Kristalle aus der Gruppe der Perowskite, eine vielfältige Stoffklasse mit jeweils komplexen chemischen Summenformeln. 2009 mit minimaler Effizienz gestartet, haben Perowskit-Zellen in der Forschung seither atemberaubende Fortschritte erzielt. Wird eine hauchdünne Schicht dieser Stoffe – nur wenige hundert Nanometer dick – auf eine kristalline Siliziumscheibe aufgebracht, entsteht eine Tandemzelle, die das 29,4-Prozent-Limit des reinen Siliziums im Labor schon heute überwindet. Im Dezember 2022 schaffte das Helmholtz-Zentrum Berlin mit einer solchen Zelle einen neuen Effizienz-Weltrekord von 32.5 Prozent.

Die Herausforderung für Halbleiterexperten liegt nun darin, die optimalen Schichten in ihrer stofflichen Zusammensetzung zu finden und diese dann sauber aufzubringen. „Wir können in unserem neuen Labor Schichten auftragen, die nur ein paar Atomlagen dick sind“, sagt Ise-Forscher Glunz, der zugleich eine Physikprofessur an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg innehat.

Wie in einer kreativen Konditorei
Bei der Auswahl der Schichten hilft dann – wie in einer kreativen Konditorei – auch schlichtes Ausprobieren: Man fertigt Perowskite in unterschiedlichen Zusammensetzungen, man testet das Resultat, verwirft es, entwickelt neu. Das Stapeln kann dabei ziemlich weit gehen: „Bis zu acht aktive Schichten werden bei den Perowskit-Solarzellen mitunter aufgetragen“, sagt Glunz.

Liegt in dieser Stoffgruppe also die Zukunft? Gut möglich, aber sicher ist das nicht. Denn der Weg vom Labor-Rekord in die industrielle Produktion ist in der Photovoltaik traditionell weit. Laborwirkungsgrade werden oft nur mit Minizellen erzielt; in der Fertigung sind hingegen Wafer mit 156 Millimetern Kantenlänge oder mehr seit Jahren das Standardmass. Dahin muss man bei der technischen Umsetzung erst einmal kommen; in der Vergangenheit sind viele Konzepte daran gescheitert.

Auch die Lebensdauer ist bei manchen Typen von Laborzellen noch zu gering für den praktischen Einsatz. Hinzu kommen die Kosten. Während sie im Labor meist eine nachrangige Rolle spielen – für spannende Forschungserkenntnisse lohnt sich ein immenser Aufwand in jedem Fall –, ist das im Markt natürlich anders. Welche Technik dieses Anforderungsprofil am besten meistern und eines Tages die einfache Siliziumzelle ablösen wird, muss sich erst noch zeigen.

Die „Drei-Fünfer“
Ein hoffnungsvoller Kandidat sind die „Drei-Fünfer“. Mit einer solchen Dreifachsolarzelle konnte das Ise im Jahr 2021 einen Weltrekord von 35.9 Prozent Wirkungsgrad erzielen, mit Vierfachzellen kamen die Freiburger Forscher sogar auf 47.6 Prozent, wie sie im Mai 2022 bekannt gaben. Das ist der aktuelle Effizienz-Weltrekord – womit klar ist, dass dem Konzept, verschiedene Halbleiterschichten zu stapeln, die Zukunft gehört.

Treiber der Forschung bei den Mehrfachsolarzellen ist seit Jahrzehnten die Raumfahrt, die sich bereits für die neuen Stapelkonzepte interessierte, als für terrestrische Anwendungen das kristalline Silizium noch ausreichend Entwicklungspotenzial bot. Deswegen ist die Firma Azur Space Solar Power im württembergischen Heilbronn seit mehr als 25 Jahren Forschungspartner des Ise, und nun natürlich auch am neuen ZhS als Auftraggeber engagiert.

Die Firma hält sich zumeist eher im Hintergrund. Auch zu ihren aktuellen Projekten am ZhS äussert sie sich auf Anfrage nicht. Dabei ist Azur Space das traditionsreichste Photovoltaik-Unternehmen in Deutschland. Die Firma hielt dem Land selbst Mitte der 1990er Jahre die Treue, als andere Unternehmen – etwa Siemens – ihre deutsche Photovoltaik-Fertigung dichtmachten und teilweise in die USA verlegten. In der Öffentlichkeit wurde Azur Space, weil lediglich als Zulieferer der Raumfahrt tätig, kaum wahrgenommen.

1964 war’s die Raumfahrt
Dabei ist die Geschichte der deutschen Photovoltaikindustrie entscheidend durch den Standort Heilbronn geprägt. 1964 wurde dort die erste deutsche Solarzelle gefertigt, zu einer Zeit, als das Unternehmen noch unter dem Namen Telefunken firmierte. 17 Jahre vor Gründung des Fraunhofer Ise.

Interesse an Solarzellen hatte damals ausschliesslich die Raumfahrt. Im Jahr 1969 lieferte das Unternehmen (nun unter dem Namen AEG-Telefunken) die Zellen für den ersten in Deutschland entwickelten Satelliten Azur. Später gehörte der Solarspezialist zunächst zu Daimler Chrysler Aerospace, wurde dann als Angewandte Solarenergie GmbH (ASE) eine Tochter des RWE-Konzerns, ehe es in die Hände einer Investmentgesellschaft der italienischen Generali-Versicherung fiel. Seit dem vergangenen Jahr ist die Firma eine Tochter des kanadischen Halbleiterproduzenten und Spezialisten für hochreine Metalle, 5N Plus. Nach eigenem Bekunden haben die Heilbronner in den letzten Jahrzehnten die Solarzellen für mehr als 600 Raumfahrtprojekte geliefert.

Zur virtuellen Eröffnung des ZhS verwies der damalige Geschäftsführer von Azur Space stolz darauf, dass die Firma weltweit führend sei bei den III/V-Hocheffizienzzellen. Bereits 2012 erreichte das Unternehmen mit einer Zelle unter 500-fach konzentriertem Sonnenlicht einen Wirkungsgrad von 43.3 Prozent – was damals Weltrekord war.

Konzentrator-PV
Inzwischen setzt Azur Space parallel auch auf eine terrestrische Verwendung seiner Zellen. Dabei fokussiert sich das Unternehmen auf die sogenannte Konzentrator-PV (CPV) in sonnenreichen Gegenden mit viel direkter und wenig diffuser Einstrahlung. Diese Technik hat den Vorteil, dass man die Zellen nicht grossflächig auslegen muss. Es genügt vielmehr, die komplexen Zellstrukturen in einem Modul auf jene relativ eng begrenzten Bereiche zu beschränken, auf die das Sonnenlicht durch optische Systeme gebündelt auftrifft. Weil man also nur eine kleinere Zellfläche braucht, kann man im Gegenzug aufwändiger hergestellte und damit effizientere Halbleiter einsetzen.

Am Ende ergeben sich daraus zwei Schlussfolgerungen:
Die Hocheffizienzzellen der Zukunft dürften unterschiedlicher Natur sein, je nach Einsatzgebiet.
Und ein Grossteil von ihnen dürfte vor der Marktreife die Labore in Freiburg vielfach durchlaufen haben.

Webseite: Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen

Text: Bernward Janzing

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Quellen/PDF

Quelle: Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen“ (ZhS), Januar 2023, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme